III. Quellen

Die Geschichte der ersten deutschen Nationalversammlung von 1848/49 in Frankfurt am Main wurde anhand der überlieferten Quellenbestände bis in Einzelheiten rekonstruiert. Auch wenn einige bedeutendere Aktenbestände in den Wirren nach der Auflösung der Nationalversammlung verloren gegangen sind, konnte die Geschichtswissenschaft der letzten hundert Jahre unter Rückgriff auf alternative zeitgenössische Zeugnisse ein umfassendes und zugleich detailliertes Bild vom äußeren Gang der Verhandlungen, den zentralen Verhandlungsgegenständen und den Hauptkontroversen nachzeichnen. (24) (24) Zum Quellenbestand über die Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung vgl. Rüdiger Moldenhauer, Aktenbestand, Geschäftsverfahren und Geschäftsgang der „Deutschen Verfassungsgebenden Reichsversammlung“ (Nationalversammlung) 1848/49 und ihre Ausschüsse, in: Archivalische Zeitschrift 65 (1969), S. 47 ff. Im Gegensatz zu dieser vergleichsweise guten Quellendokumentation der Geschichte der Versammlung sind biographische Informationen über die in der Nationalversammlung handelnden Akteure für die meisten Abgeordneten nur bruchstückhaft, verstreut und mit fragwürdiger Zuverlässigkeit überliefert. Dies ist um so bedauerlicher, als es für die Frankfurter Abgeordneten keine den Parlamentshandbüchern d er späteren Reichstage vergleichbare Quelle gibt, die über die Lebensläufe der Abgeordneten zumindest bis zum Eintritt in das jeweilige Parlament in Selbstdarstellungen berichtet. Die Ursachen für diese Defizite in der Überlieferung zur Personengeschichte des ersten deutschen nationalen Parlaments lassen sich sicherlich auf eine Reihe von Faktoren zurückführen, dürften aber insbesondere auch dem gebrochenen und wechselhaften Verhältnis von politischer Öffentlichkeit und Geschichtswissenschaft zu den demokratischen und parlamentarischen Traditionen seit der Revolution von 1848/49 zuzuschreiben sein. Zunächst verbot sich in der unmittelbar nach 1849 einsetzenden Reaktionsära mit ihren vielfältigen Unterdrückungsmaßnahmen gegen alle oppositionellen Regungen eine intensivere wissenschaftliche und öffentliche Auseinandersetzung mit der Revolutionszeit generell; politische Opportunitätserwägungen, aber auch massive strafrechtliche Verfolgung zahlreicher Mitglieder des Paulskirchenparlaments ließen eine breite parlamentarisch-demokratische Traditionsbildung, die auch dem ersten frei gewählten deutschen Nationalparlament größere Aufmerksamkeit hätte zukommen lassen, nicht zu. Nach der Reichsgründung von 1871 wurden die Ereignisse von 1848/49 als Episode auf dem Weg zur Bildung des Deutschen Reiches angesehen, so daß sich auch dann weder im Bereich der Wissenschaft noch in der politischen Öffentlichkeit ein stärkeres Interesse an den Abgeordneten der Nationalversammlung regte. Die gegen Ende des Jahrhunderts einsetzende stärkere wissenschaftliche Beschäftigung mit der Revolution von 1848/49 konzentrierte sich entsprechend der allgemeinen Ausrichtung der deutschen Geschichtswissenschaft vor allem auf die ereignisgeschichtlichen Abläufe sowie auf die bestimmenden politischen Ideen und Zukunftsentwürfe der Revolutionszeit; Personen waren demzufolge nur dann Gegenstand des Forschungsinteresses, wenn sie als besonders exponierte Persönlichkeiten tatsächlichen oder vermeintlichen Einfluß auf die historischen Abläufe gehabt hatten. Frucht dieser Forschungsperspektive war eine Reihe ausführlicher, auf zahlreichen Originalquellen und/oder auf persönlicher Bekanntschaft basierender biographischer Monographien, die uns heute einen recht guten Einblick in das Leben der führenden Personen von 1848/49 vermitteln. (25) (25) Zur Wirkungsgeschichte und Rezeption der Revolution von 1848/49 im öffentlichen Bewußtsein sowie in der deutschen Historiographie vgl. u. a.: Veit Valentin, Geschichte der deutschen Revolution 1848-49, Köln u. Berlin 1970 (2. Auflage), S. 595 ff.; Ricarda Huch, 1848. Die Revolution des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Zürich 1944; Frank Eyck, Deutschlands große Hoffnung. Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, München 1973; Manfred Botzenhart, Deutscher Parlamentarismus in der Revolutionszeit 1848 1850, Düsseldorf 1977; Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution von 1848, Frankfurt am Main 1985, S. 7 ff.; Dieter Langewiesche (Hrsg.), Die deutsche Revolution von 1848/49, Darmstadt 1983. Für die Masse der weniger prominenten Abgeordneten in der Paulskirche zeigte die den parlamentarisch-demokratischen Strömungen lange Zeit eher distanziert gegenüberstehende deutsche Historiographie bis heute wenig Interesse. Da andererseits nach 1849 die Pflege parlamentarisch-demokratischer Traditionen nur halbherzig ins Werk gesetzt werden konnte, gerieten viele der ehemaligen Nationalversammlungsabgeordneten mit ihrem Ableben in Vergessenheit; zahlreiche Quellen, die Auskünfte zum Lebenslauf einzelner Abgeordneter hätten geben können, dürften somit mangels Interesse verloren gegangen sein.

Der mangelnden Rezeption von Revolution und Nationalversammlung 1848/49 in politischer Öffentlichkeit und Geschichtswissenschaft entspricht das Fehlen einer umfassenden systematischen Sammlung und Archivierung von personengeschichtlichen Informationen aus dieser Zeit. Ein umfassender zeitgenössischer Quellenbestand zu den Frankfurter Abgeordneten, der Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, liegt nicht vor; in der Regel befinden sich die personenbezogenen Primärquellen an zahlreichen Fundorten verstreut. Es war deshalb eine der Hauptaufgaben des Handbuch-Projekts, die weit verstreuten, mehr oder weniger umfangreichen biographischen Informationen zu erschließen, zu erfassen und zum Zwecke der biographischen Rekonstruktion auszuwerten. Allerdings mußte die biographische Recherche angesichts begrenzter Ressourcen so optimiert werden, daß durch eine gezielte Auswahl relevanter Quellenbestände ein möglichst hoher Ertrag an biographisch ergiebigen Informationen erzielt werden konnte. Dies bedeutete konkret, daß nicht wahllos jede erreichbare biographische Quelle ausgewertet wurde. Auswahl und Reihenfolge der zu bearbeitenden Quellen und Quellengruppen wurden vielmehr vom erwarteten Informationsgehalt bestimmt. Demzufolge galt es, zunächst diejenigen Quellen zu bearbeiten, die für möglichst viele Abgeordnete ein Höchstmaß an biographischen Informationen erwarten ließen. Erst in einem späteren Stadium konnten dann unter Wahrung des Gebots der Zeit-/Mittelökonomie spezifische Quellengruppen erschlossen und ausgewertet bzw. bei Bedarf gezielte Einzelfallrecherchen durchgeführt werden.

Mit diesem Vorgehen unterscheidet sich das vorliegende Handbuch grundlegend von den meisten biographischen Handbüchern wie die Allgemeine Deutsche Biographie oder die Neue Deutsche Biographie. Die biographischen Artikel dieser Handbücher werden in der Regel von einem individuellen Bearbeiter erstellt, der bei den Recherchen zu seinem Artikel oder Essay auf wesentlich mehr und spezialisiertere Quellenbestände zurückgreifen kann, als dies für den Bearbeiter eines massenbiographischen Handbuchs möglich ist. In diesem Zusammenhang sind allerdings die bereits des öfteren angesprochenen konzeptionellen Unterschiede von traditionellen biographischen Lexika und massenbiographischen Handbüchern zu berücksichtigen. Traditionelle Lexika streben eine mehr oder weniger ausführliche Darstellung der wesentlichen Aspekte des Lebenslaufs an, verbunden mit einer umfassenden Würdigung der Person durch den jeweiligen Autor; demgegenüber zielen massenbiographische Handbücher auf die vergleichende Darstellung eines ausgewählten historischen Personenkollektivs auf der Basis eines vorgegebenen Katalogs standardmäßig zu beobachtender Persönlichkeitsmerkmale; wesentliche Ziele sind Vollständigkeit und Vergleichbarkeit hinsichtlich einer Reihe von „relevanten“ biographischen Daten; subjektive Werturteile des Autors sollen nach Möglichkeit ausgeschlossen sein. Insofern läßt sich die hier gewählte, von den traditionellen biographischen Handbüchern abweichende Vorgehensweise bei der Bearbeitung der Quellen nicht nur forschungspraktisch, sondern auch konzeptionell begründen. Denn die wesentlichen Informationssegmente und -demente einer an der Methode der kollektiven Biographik ausgerichteten Normalbiographie lassen sich auch mit einer begrenzten, aber gezielten Recherche in den wesentlichen Quellengruppen ausreichend vollständig rekonstruieren. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, daß für die Erstellung der Biographien des vorliegenden Handbuchs nicht auch Quellen zu einzelnen Abgeordneten, Zufallsfunde oder weniger informationshaltige Quellen herangezogen wurden, sofern ihre Erschließung bzw. Auswertung nicht mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden war. Gleichwohl muß betont werden, daß das vorliegende Handbuch keine erschöpfenden Einzelbiographien präsentiert, die auf einer vollständigen Auswertung aller verfügbaren Quellen basieren; statt dessen liefern die vorliegenden Biographien ein biographisches Grundgerüst, das nach wissenschaftlichen Standards geprüfte und zuverlässige Informationen über eine Reihe biographisch relevanter Merkmale enthält. Eine solche Forschungsstrategie kalkuliert bewußt die Tatsache mit ein, daß Biographien historischer Persönlichkeiten prinzipiell unabschließbar sind, da sich immer wieder neue Quellen bzw. biographische Informationen finden lassen, die eine Modifizierung der ursprünglichen Fassung nahelegen. Insofern ist das vorliegende Handbuch als aktuelle Bestandsaufnahme anzusehen, das dem potentiellen Nutzer die mit Hilfe der wesentlichsten Quellen erreichbaren biographischen Daten der Frankfurter Abgeordneten von 1848/49 in kompakter Form darbietet. Für speziellere prosopographische Forschungen bieten die Biographien dieses Handbuchs somit eine Grundlage bzw. erste Orientierung; eine erschöpfende, auf umfangreichen Spezialrecherchen basierende Darstellung von Lebensläufen im Stile einzelbiographischer Monographien beanspruchen die hier vorgelegten Biographien nicht zu ersetzen.

Der folgende Uberblick über die verwendeten Quellengruppen und Quellen soll dem Nutzer eine Grundlage für die eigene Beurteilung von Zuverlässigkeit und Dichte der Material- und Quellenbasis dieses biographischen Handbuchs geben. Da Umfang und Qualität der biographischen Informationen auch innerhalb der gleichen Quelle höchst unterschiedlich sein können, lassen sich von der hier gewählten Reihenfolge nur bedingt Rückschlüsse auf die inhaltliche Priorität ziehen.

1. Biographische Ausarbeitungen des Bundesarchivs, Außenstelle Frankfurt am Main

Eine bedeutende Vorarbeit für das vorliegende Handbuch stellen die Biographischen Ausarbeitungen der Frankfurter Außenstelle des Bundesarchivs dar. Bei dieser seit den 1920er Jahren von zahlreichen Bearbeitern aufgebauten und seitdem ständig erweiterten Materialsammlung handelt es sich um eine biographische Metaquelle für die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, in die eine Fülle unterschiedlicher biographischer Einzelinformationen eingeflossen ist. Neben den gängigen allgemeinen und speziellen biographischen Nachschlagewerken wurden hierfür auch zahlreiche Einzelbiographien, Spezialverzeichnisse mit biographischen Informationen (Universitätsmatrikel, Mitgliederlisten von Vereinen und Verbänden etc.) sowie diverse zeitgenössische Periodika (Staatshandbücher der deutschen Länder, Verbandszeitschriften etc.) herangezogen. (26) (26) U.a. wurden die Allgemeine Deutsche Biographie, die Neue Deutsche Biographie, das Österreichische Biographische Lexikon, Wurzbachs Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, zahlreiche regionale biographische Nachschlagewerke (z. B. Nassauische Biographie, Hessische Biographie, Fränkische Lebensbilder, Niedersächsische Lebensbilder usw.), die nach regionalen Kriterien zusammengestellten und an verschiedenen Stellen publizierten Kurzbiographien Frankfurter Abgeordneter von Hermann Niebour, die Biographischen Umrisse der Mitglieder der deutschen konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main usw. systematisch für die biographischen Ausarbeitungen ausgewertet. Auf diese Werke wird weiter unten noch ausführlich eingegangen. Ein besonderer Schwerpunkt der Biographischen Ausarbeitungen bildet der umfangreiche Bestand zeitgenössischer biographischer Quellen, welcher vor allem das Produkt des systematischen Erwerbs der Nachlässe von zahlreichen Personen der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts (im Orginal oder als Abschrift resp. Kopie) darstellt. Nicht wenige dieser für die biographische Forschung bedeutsamen Zeugnisse dürften, da die Bestände der Frankfurter Außenstellen nicht von Kriegsverlusten betroffen waren, so vor der Vernichtung bewahrt worden sein. Die aus den genannten und noch weiteren Quellengruppen gewonnenen und zu tabellarischen Kurzbiographien zusammengestellten Informationen wurden bei Bedarf durch gezielte punktuelle Anfragen an regionale oder lokale Archive ergänzt. Auch die aus solchen Archivanfragen gewonnenen Informationen sind für die Arbeit an diesem Handbuch hoch zu bewerten, da deren Erschließung aufgrund von Kriegsverlusten oder wegen einer restriktiven Auskunftspraxis der Archive, insbesondere im Gebiet der ehemaligen DDR und der osteuropäischen Staaten, im Rahmen des Handbuch-Projekts nur in eingeschränktem Maße möglich war.

Die jahrzehntelange Sammlung und Bearbeitung auch weniger bekannter oder im Krieg vernichteter bzw. verschollener biographischer Quellen und Materialien ergab in der Summe eine so hohe Informationsdichte zu den Lebensläufen der Frankfurter Abgeordneten, wie sie im Rahmen eines auf begrenzte Förderung konzipierten Forschungsprojektes nicht erreichbar ist. So konnten etwa durch die systematische Auswertung der heute nur noch unvollständigen und an zahlreichen Orten verstreut vorliegenden Staatshandbücher der deutschen Länder für zahlreiche Frankfurter Abgeordnete detaillierte Angaben über Tätigkeiten im öffentlichen bzw. kirchlichen Dienst gewonnen werden. Insofern handelt es sich bei den Biographischen Ausarbeitungen nicht nur um eine für die Personengeschichte des ersten deutschen Nationalparlaments außerordentlich bedeutsame Metaquelle, sie ersparten auch den Bearbeitern des vorliegenden Handbuchs einen nicht unerheblichen Teil der sehr mühsamen und aufwendigen Quellenrecherchen.

Die aus den Quellen gewonnenen biographischen Informationen wurden von den Bearbeitern des Bundesarchivs für jeden einzelnen Abgeordneten gesondert zu mehr oder weniger ausführlichen Lebensläufen zusammengestellt, die fortlaufend ergänzt oder modifiziert wurden. Trotz der umfangreichen Vorarbeiten waren diese Biographien noch weit von einer veröffentlichungsreifen Fassung entfernt. Lediglich die Biographien zweier regionaler Abgeordnetengruppen sind von dem inzwischen verstorbenen Leiter des Frankfurter Bundesarchivs, Rüdiger Moldenhauer, veröffentlicht worden; hierbei sind die ursprünglich tabellarischen Kurzbiographien unter Auslassung bestimmter Informationssegmente zu kurzen biographischen Essays in Fließtextform umgestaltet worden. (27) (27) Rüdiger Moldenhauer, Die schleswig-holsteinische Frage im Spiegel der Petitionen an die Frankfurter Nationalversammlung, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 109 (1984), S. 167-241; ders., Die Petitionen aus Rheinhessen und Starkenburg an die Frankfurter Nationalversammlung, in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, N. F. 34 (1976), S. 164 170. Darüberhinaus scheinen die biographischen Ausarbeitungen nur noch für das Findbuch zu den Beständen Vorparlament, Fünfzigerausschuß und Deutsche Nationalversammlung 1848/49 verwendet worden zu sein, welches im Anhang eine Dokumentation zu Mandaten, Wahlkreisen, Fraktions- und Ausschußmitgliedschaften der Frankfurter Abgeordneten enthält. (28) (28) S.o.

Ohne den Wert der Biographischen Ausarbeitungen für die Erstellung dieses Handbuchs auch nur im mindesten in Frage zu stellen, ist allerdings einschränkend festzuhalten, daß eine vorbehaltlose, unkritische Übernahme der in ihnen enthaltenen biographischen Informationen aus mehreren Gründen nicht möglich war. Der für die weitere Verwendung schwerwiegendste Nachteil der Biographischen Ausarbeitungen ist darin zu sehen, daß bei der Anlage dieser Materialsammlung das Prinzip der Autopsie (gebündelte Archivierung aller Quellendokumente zu einer Person als Original oder Kopie) nicht beachtet worden ist. Tatsächlich handelt es sich um eine biographische Metaquelle, in der die ursprünglichen Quellen zwar verarbeitet, aber nicht mehr als Einzelquellen erkennbar sind. Der Prozeß der biographischen Rekonstruktion, der sich aus den Interpretationen und Gewichtungen der Informationen der Originalquellen durch den jeweiligen Bearbeiter ergibt, läßt sich daher nicht nachvollziehen. Abweichungen und Widersprüche in den Ausgangsquellen wurden nicht dokumentiert. Auch lassen sich heute keinerlei Standards ausfindig machen, die den verschiedenen Bearbeitern bei der Quellenauswertung als einheitliche Richtschnur gedient haben könnten. In jedem Fall belegen aber die Differenzen zwischen den einzelnen Personendossiers, daß sich während der jahrelangen Arbeiten an den Biographischen Ausarbeitungen die Standards für Verarbeitung und Bewertung – sofern es solche denn überhaupt als für alle Bearbeiter verbindliche Regeln gab – mehr als einmal geändert haben. (29) (29) Auch dem derzeitigen Archivleiter Herrn Dr. Hans Schenk waren weder schriftliche Fixierungen noch mündliche Absprachen über Regelungen für die Erstellung der biographischen Ausarbeitungen bekannt. Die für einen Abgeordneten jeweils beobachteten Informationssegmente und der dabei erreichte Grad an Vollständigkeit ist von Dossier zu Dossier unterschiedlich. Neben ausführlichen, übersichtlichen und sorgfältig (maschinenschriftlich) abgefaßten Lebenslaufskizzen finden sich unübersichtliche, an zahlreichen Stellen verbesserte und mit oft unleserlichen oder widersprüchlichen Randbemerkungen versehene Notizzettel, die kaum über die minimalen Angaben des Handbuchs von Max Schwarz hinausgehen. Eine vollständige Übersicht über alle benutzten Quellen gibt es nicht. Obwohl für jedes Bearbeitungsblatt Quellen-und Literaturvermerke aufgeführt sind, zeigte eine stichprobenartige Überprüfung der präsentierten Informationen anhand dieser Vermerke, daß nicht alle Quellen genannt wurden.

Auch bei der Bewertung und Verarbeitung biographischer Informationen sind Mängel erkennbar. So ergab die Überprüfung von biographischen Daten anhand zuverlässiger alternativer Quellen (Personalakten, amtliche Chroniken usw.), daß die Angaben der Biographischen Ausarbeitungen nicht selten um mehrere Jahre von den tatsächlichen Daten abwichen. Dies war u. a. dem Umstand zuzuschreiben, daß die für die Biographischen Ausarbeitungen intensiv genutzten Staatshandbücher häufig noch Amtsinhaber ausweisen, die zur Zeit des Erscheinens bereits abgetreten waren.

Angesichts fehlender bzw. nicht rekonstruierbarer biographischer Standards und wegen der sonstigen Mängel und Lücken war eine ungeprüfte Übernahme dieser biographischen Informationen in das vorliegende Handbuch nicht möglich; vielmehr waren die Biographischen Ausarbeitungen als eine zwar sehr ergiebige Metaquelle zu behandeln, die aber für unsere Zwecke der vollständigen wissenschaftlichen Überarbeitung bedurfte. Desweiteren ist zu bedenken, daß die Arbeiten an dieser Sammlung bereits Anfang der 1970er Jahre eingestellt worden sind. Gerade die Zeit des Vormärz und der evoution 1848/49 hat seit den 1970er Jahren nicht nur im Bereich der professionellen Geschichtswissenschaft, sondern auch bei vielen Lokal- und Regionalgeschichtsforschern gesteigertes Interesse gefunden mit der Folge, daß auch unser Wissen über die handelnden Akteure inzwischen erheblich erweitert worden ist. Die Ergebnisse dieser neueren Forschungen konnten wegen der Einstellung der biographischen Arbeiten folglich auch keine Berücksichtigung in den Biographischen Ausarbeitungen der Frankfurter Außenstelle des Bundesarchivs finden.

2. Max Schwarz, MdR, Biographisches Handbuch der Reichstage

Bereits 1965 hat der ehemalige Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes Max Schwarz ein fast vollständiges Verzeichnis aller Abgeordneten deutscher Nationalparlamente zwischen 1848 und 1933 vorgelegt. Obwohl die Bedeutung dieses Werks als Pionierleistung, das erstmals und bis heute einmalig eine komplette Erfassung sämtlicher Abgeordneten versuchte, keineswegs bezweifelt werden soll, kann es die Funktion eines wissenschaftlichen Handbuchs, das präzise und zuverlässig über die Lebensläufe der ehemaligen Parlamentarier Auskunft gibt, auch nicht annähernd erfüllen. Denn tatsächlich handelt es sich um ein mit knappen biographischen Annotationen angereichertes, wenig ergiebiges und fehlerhaftes Inventar, das mehr oder weniger vollständig Angaben zu Geburts- und Sterbedaten, Beruf, Religion, Fraktion, Mandatsdauer, Wahlkreis sowie zu Vorgängern bzw. Nachfolgern im Mandat enthält. Weitergehende Informationen zum Lebenslauf weisen die sehr oft unpräzisen und lückenhaften Kurzbiographien von Schwarz nicht auf. Zuverlässigere und ausführlichere Informationen über Abgeordnete ließen sich auch nach Erscheinen des biographischen Handbuchs von Schwarz nur über eigene weitergehende Quellenrecherchen gewinnen: Die Berufsangaben bei Schwarz sind beispielsweise hinsichtlich ihrer zeitlichen Stellung im Lebenslauf nicht eindeutig festgelegt, da sie sich sowohl auf eine Eingangsposition, auf die für eine Biographie charakteristische Position, den Beruf bei Mandatsantritt, auf eine bedeutende politische oder sonstige Nebentätigkeit als auch auf die zuletzt erreichte Berufsposition beziehen. Da nur ein einziger Beruf angegeben wird, lassen sich Karriereverläufe mit dem Handbuch von Schwarz nicht nachzeichnen. Ebenso fehlen Hinweise auf den Bildungs- und Familienhintergrund der Abgeordneten. Bei allen Mängeln im einzelnen muß jedoch hervorgehoben werden, daß das Schwarzsehe Handbuch erstmalig in publizierter Form sämtliche Abgeordneten der deutschen Nationalparlamente namentlich erfaßt und anhand von Geburts- und Sterbedaten identifiziert. Gerade in der Vorbereitungsphase des vorliegenden Handbuchs leistete das Inventar von Schwarz wertvolle Hilfe bei der Erschließung und Erfassung von weitergehendem biographischen Quellenmaterial, fehlte doch für die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung ein den Parlamentshandbüchern der späteren Reichstage vergleichbares biographisches Handbuch aller gewählten Mandatsinhaber einer Legislaturperiode.

3. Biographische Umrisse

Die einzige zeitgenössische Quelle, die nach der Art der präsentierten Informationen den späteren Reichstagshandbüchern vergleichbar ist, sind die im Frühjahr 1849 erschienen Biographischen Umrisse der Mitglieder der deutschen konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. (30) (30) Biographische Umrisse der Mitglieder der deutschen konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. Nach authentischen Quellen, Frankfurt am Main 1848-1849. Diese enthalten für 211 Abgeordnete kurze Lebensabrisse von mehr oder weniger großer Ausführlichkeit und Präzision. Die biographischen Skizzen erstrecken sich auf die Lebensphase der Abgeordneten bis zur Zeit der Ausübung ihres parlamentarischen Mandats in Frankfurt und enthalten Angaben zu den wichtigsten Informationselementen/-Segmenten unserer Normalbiographie. Der besondere Wert der Umrisse ist darin zu sehen, daß sie noch zu Lebzeiten der Abgeordneten verfaßt worden sind und deshalb biographische Informationen enthalten, die später wegen vermeintlicher Irrelevanz oder aus sonstigen Gründen untergegangen sind. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die ausführliche Dokumentation des publizistischen Wirkens der Abgeordneten, die neben den üblichen Angaben zum Themenspektrum und zur Mitarbeit an Zeitungen oder Zeitschriften bisweilen umfangreiche Publikationslisten mit vollständigen Literaturangaben umfaßt.

Allerdings ist die Quellengrundlage der kurzen Lebensskizzen unklar. Die Ergänzung des Titels „nach authentischen Quellen“ und die in einigen Biographien gewählte Ich-Form lassen darauf schließen, daß es sich, wie bei den Parlamentshandbüchern der deutschen Reichs- und Landtage, um persönliche Angaben der Abgeordneten selbst handelt. Dies erklärt auch die bei vielen Lebensumrissen anzutreffende außergewönhliche Präzision und Detailkenntnis, vornehmlich zu den frühen Lebensphasen Schule, Studium und Berufsausbildung. Andererseits wird man nicht selten mit dem Problem der „Funktionalität“ biographischer Angaben konfrontiert, was etwa im Falle von Weglassungen oder ungenauen Darstellungen erhebliche Interpretationsprobleme aufwirft. Die mannigfaltigen Erfahrungen mit staatlicher Bevormundung und Unterdrückung oppositioneller Strömungen in der Zeit vor 1848/49, aber auch die neuen Verhältnisse seit dem Frühjahr 1848 scheinen nicht wenige Abgeordnete zu einer „angepaßten“ Darstellung ihres Lebenslaufs veranlaßt zu haben. Weniger problematisch war dagegen die in zahlreichen wertenden Persönlichkeitsbeurteilungen zum Ausdruck kommende Sympathie für demokratisch-oppositionelle Standpunkte sowie die Ablehnung von Politikern der Rechten. Derartige Wertungen hatten – soweit wir sehen – keinen nennenswerten Einfluß auf die Darstellung der „äußeren“ objektivierbaren Daten des Lebenslaufs. Schließlich wäre noch darauf hinzuweisen, daß die Biographischen Umrisse infolge ihres Entstehungsdatums naturgemäß für die weitaus meisten der biographierten Abgeordneten nur einen Teil-Lebenslauf enthalten. Für die Rekonstruktion der Lebensphasen nach der parlamentarischen Tätigkeit in der Paulskirche ist man folglich auf andere Quellen angewiesen.

4. Hermann Niebours Aufsätze zu regionalen Abgeordnetengruppen

Den wohl ersten Versuch einer umfassenden Sammlung von biographischen Informationen über die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung hat zu Beginn dieses Jahrhunderts der Wilmersdorfer Oberarchivrat Hermann Niebour unternommen. Die Ergebnisse seiner Bemühungen wurden über eine Reihe von Jahren hinweg an entlegenen Publikationsorten, zumeist in regionalhistorischen Zeitschriften, als Kurzbiographien zu regionalen Abgeordnetengruppen v eröffentlicht (31) (31) Die exakten bibliographischen Angaben der hier benutzten 15 Einzelveröffentlichungen Niebours sind der Auswahlbibliographie zu entnehmen. Weiteres nicht veröffentlichtes biographisches Material enthält der Nachlaß Hermann Niebours, der sich im ehemaligen Zentralen Staatsarchiv der DDR, Abteilung Merseburg ( heute: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Merseburg) befindet. Dieser besteht u. a. aus einer Sammlung von Arbeitszetteln, die stichwortartig zu annähernd allen Abgeordneten der Deutschen Nationalversammlung von 1848/ 49 mehr oder weniger ausführliche biographische Informationen anführen. Einen besonderen Stellenwert erhält dieser Quellenbestand dadurch, daß der Nachlaß außer den handschriftlich verfaßten Kurzbiographien auch den umfangreichen Schriftwechsel Niebours mit Nachkommen von Abgeordneten, Behörden, Archiven usw. umfaßt. Aufgrund dieses Schriftwechsels konnten zahlreiche biographische Daten zusammengetragen werden, die der heutigen biographischen Forschung wegen zeitbedingter Verluste im Original nicht mehr zugänglich sind.

Für das vorliegende Handbuch konnte der Nachlaß Hermann Niebours leider nur selektiv ausgewertet werden, da vor dem November 1989 der Zugang zu dieser Quelle praktisch verschlossen war. Somit mußte sich die Auswertung der biographischen Arbeiten Niebours auf die veröffentlichten Publikationen und einen Teilauszug aus dem Nachlaß, der sich in Kopie in der Frankfurter Außenstelle des Bundesarchivs befindet, beschränken. Auf diese Weise konnten insgesamt 351 Biographien Niebours zu Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung erschlossen werden.

Auch Niebour nennt ähnlich wie die Biographischen Umrisse nach Möglichkeit einen Grundbestand biographischer Kerndaten wie Geburts- und Sterbedaten, Schul- und Berufsausbildung, Berufskarriere; andere für Parlamentarier-Biographien relevante Informationselemente wie politische oder sonstige öffentliche Aktivitäten werden nur sporadisch und unpräzise angeführt. Uberhaupt läßt die Präzision der biographischen Daten bei Niebour, gemessen an den für ein kollektiv-biographisches Handbuch angestrebten Standards, viele Wünsche offen: so werden des öfteren biographische Stationen allein in ihren zeitlichen Relationen zueinander („vor“, „nach“, „später“ usw.) ohne genaue Jahresangaben dargestellt. Auch bleiben Lebensphasen häufig ausgeblendet, obwohl die gelegentlich von Niebour zitierten Quellen hierüber berichten. Ausführlichkeit und Dichte der Biographien sind generell sehr heterogen. Hinweise zu den Kriterien, die Form und Inhalt der biographischen Essays bestimmten, liegen nicht vor. Ebenso fehlt fast jeglicher Verweis auf die betreffende Quellenbasis. Die wenigen Bemerkungen hierzu beziehen sich ausschließlich auf biographische Standardwerke wie die ADB oder Wurzbachs Biographisches Lexikon (s. u.). Wie der umfangreiche Schriftwechsel im Nachlaß beweist, hat Niebour aber in größerem Umfange eigene Quellenrecherchen betrieben und dabei auch auf Unterlagen zurückgreifen können, die heute wegen Vernichtung oder aus anderen Gründen nicht mehr zugänglich sind. Vor allem aus diesem Grunde sind die biographischen Arbeiten Niebours trotz der angesprochenen Mängel und zahlreicher fehlerhafter biographischer Angaben ein unverzichtbarer Quellenbestand für die Erarbeitung der vorliegenden Biographien gewesen.

5. Parlamentshandbücher und biographisch annotierte Parlamentarier-Verzeichnisse

398 Paulskirchenabgeordnete (49,2%) haben außer der Deutschen Nationalversammlung noch einem weiteren Parlament angehört, davon 57 dem Norddeutschen bzw. Deutschen Reichstag. Für die Lebensläufe dieser Abgeordneten konnte auf die große Gruppe der amtlichen und nichtamtlichen Publikationen über die deutschen Land- und Reichstage als ergänzende Informationsquelle zurückgegriffen werden. (32) (32) Eine Zusammenstellung sämtlicher überlieferten Parlamentshandbücher findet sich bei Martin Schumacher, Deutsche Parlamentshandbücher. Bibliographie und Standortnachweis, Düsseldorf 1986. Dabei hat man zwischen den periodisch, meist zu Beginn einer Legislaturperiode erschienenen Parlamentshandbüchern und Gesamt- bzw. Detailverzeichnissen einzelner Parlamente zu unterscheiden. Amtliche Parlamentshandbücher liegen für alle Reichstage und die Landtage mehrerer deutscher Einzelstaaten (u. a. für Preußen, Bayern, Sachsen) vor. Da die Reichstagshandbücher ebenso wie die meisten Handbücher der Landtage erst nach der Reichsgründung regelmäßig erschienen sind, lassen sich aus diesen Quellen nur für verhältnismäßig wenige Frankfurter Abgeordnete biographische Informationen entnehmen. Der Informationsgehalt der Handbücher ist höchst unterschiedlich. Bis auf wenige Standardinformationen (Wohnort, Geburtsdatum) blieb die Ausgestaltung der Kurzbiographien in der Regel den Abgeordneten selbst überlassen. Dementsprechend heterogen gestalten sich Umfang, Präzision und Zuverlässigkeit der biographischen Angaben; nicht wenige Biographien sind ähnlich wie bei den Biographischen Umrissen funktional modifiziert. Da Nachträge zu den einzelnen Parlamentshandbüchern nicht immer erstellt worden sind, fehlen häufig Abgeordnete, die durch Nachwahl nach Erscheinungstermin des entsprechenden Handbuchs ein Mandat übernommen hatten. Mehrere Parlamentshandbücher wie die schon seit den 1830er Jahren regelmäßig herausgegebenen parlamentarischen Handbücher für das Königreich Sachsen beschränken sich auf die Wiedergabe von Familienname, Beruf, Wahlkreis und Wohnort der Abgeordneten. Auch die retrospektiv erstellten längsschnittartigen Gesamtverzeichnisse der Mitglieder einzelner Parlamente mit biographischen Annotationen unterscheiden sich hinsichtlich ihres biographischen Informationsgehalts deutlich voneinander. (33) (33) 33 U.a. wären hier zu nennen: S. J. Jandebeur, Die Kammern des Landtages des Königreiches Bayern seit 1819, München 1858; Adolph Roth u. Paul Thorbecke, Die badischen Landstände, insbesondere die zweite Kammer, Karlsruhe 1907; Hessische Abgeordnete 1820-1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen, bearb. von Hans Georg Rup-pel u. Birgit Groß, Darmstadt 1980; Bernhard Mann, Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918, Düsseldorf 1988; Philipp Losch, Die Abgeordneten der Kurhessischen Ständeversammlung von 1830-1866, Marburg 1909; Oswald Knauer, Das österreichische Parlament von 1848-1966, Wien 1969; Preußens Volksvertretung in der Zweiten Kammer und im Haus der Abgeordneten vom Februar 1849 bis Mai 1877. Alphabetisches Namensregister der Mitglieder, sowie Verzeichnis der Wahlkreise nach Provinzen und Regierungsbezirken, zusammengestellt von Franz Lauter, Berlin 1877 (Nachtrag 1877-82, Berlin 1882); Der Rheinische Provinziallandtag bis zum Jahre 1874, bearb. von Gustav Croon, Düsseldorf 1918; Die Abgeordneten des Westfalenparlaments 1826-1978, hrsg. von Alfred Bruns, Münster 1978 (Nachtrag 1983); Carl Grosse u. Carl Raith (Bearb.), Beiträge zur Geschichte und Statistik der Reichstags- und Landtagswahlen in Württemberg seit 1871, Stuttgart 1912. Neben kurzen, nach Legislaturperioden oder alphabetisch geordneten Mitgliederlisten mit Angaben zu Beruf, Wahlkreis u. ä. (Bayern, Baden, Österreich, Württemberg) liegen zu einzelnen Ländern/Provinzen auch umfassende, wissenschaftlich bearbeitete Gesamtverzeichnisse mit relativ ausführlichen Lebensläufen vor (Hessen, Preußen, Westfalen). Desweiteren wären in diesem Zusammenhang die in der Regel ebenfalls retrospektiv erstellten parlamentarischen Detailverzeichnisse zu nennen; dieser Gruppe wären u.a die Mitgliederverzeichnisse einzelner herausgehobener parlamentarischer Versammlungen (verfassunggebende Versammlungen), die nur relativ kurze Zeiträume (1-2 Legislaturperioden) umfassenden Mitgliederverzeichnisse einzelner Regionalparlamente sowie die nach bestimmten partei- oder sonstigen gruppenspezifischen Kriterien zusammengestellten Parlamentarierverzeichnisse zuzurechnen. (34) (34) 34 U.a. August Allgaier, Die Stände Badens, Pforzheim 1896; Ludwig Bauer, Die Mitglieder der ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung 1819-1950, Karlsruhe 1900; Album der ersten vereinigten Landstände Preußens 1848, hrsg. von Adalbert von Stülpnagel, Berlin 1848; Namensverzeichniss und Wohnungsanzeiger der Abgeordneten zur Preußischen Nationalversammlung, Berlin 1848; Alphabetisches Verzeichnis der zur ersten und zweiten Kammer der Preußischen Nationalversammlung gewählten Abgeordneten, Mülheim a. d. Ruhr 1849; Verzeichniss der Deputirten für die Preußische Nationalversammlung. Alphabetisch geordnet mit Angaben des Namens, Charakters und Wohnorts der Deputirten und für welchen Wahlkreis und welche Provinz sie gewählt sind, Berlin 1848; Eduard Schmidt-Weißenfels, Preußische Landtagsmänner. Beiträge zur partei- und parlamentarischen Geschichte in Preußen, Breslau 1862; Horst Conrad u. Bernd Haunfelder, Preußische Parlamentarier 1859-1867. Ein Photoalbum, Bonn 1986; Hermann Kalkoff, Die nationalliberale Fraktion des Preußischen Abgeordnetenhauses 1866-1913, Berlin 1913; ders., Nationalliberale Parlamentarier 1867-1917, Berlin 1917; Ludwig Luckemeyer, Liberale in Hessen 1848-1980, Melsungen 1980; ders., Kasseler Liberale in zwei Jahrhunderten, Kassel 1979; Alfons Hoffmann, Die katholischen geistlichen Abgeordneten der Pfalz in der bayerischen Ständeversammlung 1819-1848, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 32 (1969), S. 767-812.

Generell ist der Informationswert parlamentarischer Handbücher und Verzeichnisse beschränkt. Dennoch waren sie als Quelle unentbehrlich, da vielfach nur hier präzise und verläßliche Auskünfte über frühere Mandatszeiten und parlamentarische Aktivitäten zu erhalten waren. Vor allem für die Frühzeit des Parlamentarismus in den konstitutionell verfaßten Einzelstaaten des Deutschen Bundes seit 1815, für die so gut wie keine zeitgenössischen amtlichen Publikationen vorliegen (Ausnahme Sachsen), sind Parlamentsmandate oft nur so zu erschließen. Zahlreiche Biographien über die Politiker von 1848/49 messen der Mitgliedschaft in den einzelstaatlichen parlamentarischen Gremien keine besondere Bedeutung bei und unterlassen folglich Hinweise hierzu völlig bzw. beschränken sich auf ungenaue Pauschalangaben. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des hohen Stellenwerts dieser Informationen für die kollektive Biographie von Parlamentariern war der hohe Aufwand für die möglichst vollständige Erschließung, Beschaffung und Auswertung der schlecht zugänglichen und an zahlreichen Fundorten verstreuten Parlamentaria-Publikationen durchaus gerechtfertigt. (35) (35) 35 Eine zentrale und vollständige Sammlung aller Parlamentshandbücher und Parlamentarier-Verzeichnisse existiert nicht. Deshalb mußten die hier verwendeten Werke oft mühsam, mit monatelangen Wartezeiten über den Leihverkehr der Bibliotheken beschafft werden. Inzwischen ist die Sammlung der entsprechenden Publikationen, sofern sie bibliographisch erfaßt sind und biographisch relevantes Material enthalten, für den Zeitraum von 1815 bis 1945 komplett abgeschlossen und kann im Zentrum für Historische Sozialforschung eingesehen werden. Weitergehendes biographisches Material, vor allem zur politischen Karriere, läßt sich darüberhinaus auch den wenigen vorliegenden wissenschaftlichen Verzeichnissen mit ausgearbeiteten biographischen Annotationen entnehmen. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für die Mehrzahl der Parlamentshandbücher, deren Berichtszeitraum allerdings naturgemäß im Moment des Erscheinens endet.

6. Biographische Nachschlagewerke

Selbstverständlich wurde bei der Erarbeitung des vorliegenden Handbuchs auch auf die allgemeinen und speziellen biographischen Nachschlagewerke zurückgegriffen. Neben den großen biographischen Standardwerken wie ADB, NDB, Wurzbach’s Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich und ÖBL ist dieser Kategorie die große Zahl von regionalen und Spezialbiographien zuzuordnen. (36) (36) U.a. Allgemeine Deutsche Biographie; Neue Deutsche Biographie; Wurzbach’s Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich; Österreichisches Biographisches Lexikon; Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog, hrsg. von Anton Bettelheim, 18 Bde., Berlin 1897-1917; Wilhelm Kosch, Biographisches Staatshandbuch, 2 Bde., Berlin u. München 1963; Hellmut Rößler u. Günther Franz, Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, bearb. von Karl Bosl, Günther Franz u. Hanns Hubert Hofmann, 3 Bde., München 1974 1975 (2. Aufl.). – Regionenbezogene Biographien gibt es für fast alle ehemaligen Länder des Deutschen Bunds, z. B.: Altpreußische Biographie, hrsg. von Christian Krollmann, Fritz Gause u. Kurt Forstreuter, 3 Bde., Königsberg u. Marburg a. d. Lahn 1936 1975; Bremische Biographie des neunzehnten Jahrhunderts, hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Künstlervereins, Bremen 1912; Badische Biographien, hrsg. von Friedrich von Weech, Albert Krieger u. Karl Obser, 6 Teile, Heidelberg u. Karlsruhe 1875-1935; Badische Biographien, N. F., hrsg. von Bernd Ottnad, 3 Bde., Stuttgart 1982-1989; Hessische Biographien, hrsg. von Hermann Haupt, 3 Bde., Darmstadt 1918-1929; Wilhelm Rothen, Allgemeine hannoversche Biographie, 3 Bde., Hannover 1912- 1916; Biographie Nationale du pays de Luxembourg depuis ses origines jusqu’à nos jours. Collection présentée par Jules Mersch, Luxembourg 1947-1975. Überraschenderweise sind auch bei Berücksichtigung der spezielleren Nachschlagewerke nur verhältnismäßig wenig Abgeordnete in diesen Werken zu finden. Offensichtlich schlägt sich auch in dieser Tatsache die traditionelle Distanz der deutschen Geschichtswissenschaft gegenüber dem Parlamentarismus des 19. Jahrhunderts nieder: allem Anschein nach war die M itgliedschaft in der ersten Deutschen Nationalversammlung an sich noch kein hinreichendes Kriterium für die Aufnahme in eines der biographischen Nachschlagewerke. Die fast nie explizierte, aber stets unterstellte Relevanz einer Person, die für die Aufnahme in ein biographisches Nachschlagewerk ausschlaggebend war, wird in der Regel durch ihre Rolle außerhalb des Parlaments bestimmt; die Tätigkeit als Nationalversammlungsabgeordneter hat dagegen die Einschätzung der „Bedeutung“ einer Person durch die jeweiligen Herausgeber nicht oder in nur geringem Maße beeinflußt. (37) (37) Die ADB enthält mit 203 Personen noch die meisten ehemaligen Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung (ca 25% aller Abgeordneten). Erheblich weniger Abgeordnetenbiographien sind dagegen in der NDB (77 Personen), in Wurzbach’s Biographischem Lexikon (70 Personen), im ÖBL (53) und in Koschs Staatshandbuch (75 Personen) enthalten. Man hat hierbei jedoch zu berücksichtigen, daß die beiden österreichischen Handbücher sich ausschließlich auf Personen aus dem Gebiet der k..k. Monarchie beziehen. NDB und ÖBL sind bisher noch nicht abgeschlossen. Dieser Umstand verstärkt freilich den in der Biographieforschung weithin bekannten Effekt, daß die Lebensläufe der prominenten Mitglieder eines Personenkollektivs durch eine überproportional große Zahl informationshaltiger Quellen gut und zuverlässig dokumentiert sind, während die Masse der weniger bekannten Personen auch bei intensiver Recherche nur unvollständig und fehlerhaft erforscht werden kann.

Informationsgehalt und Zuverlässigkeit der Biographien sind in den betreffenden Werken wie auch in den zuvor genannten Quellengruppen höchst unterschiedlich zu beurteilen. In den meisten allgemeinen und regionalen biographischen Lexika sind die einzelnen Artikel von unterschiedlichen Autoren verfaßt worden; (38) (38) Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang das Biographische Lexikon des Kaiserthums Österreich von C. von Wurzbach dar, der sämtliche Artikel seines 60 Bände umfassenden voluminösen Werks selbst verfaßt hat. dementsprechend heterogen fällt die Ausgestaltung der Biographien aus. Verbindliche Standards, nach denen sich die Autoren bei der Abfassung ihrer Biographien zu richten haben, beschränken sich auf äußere Formalia und einige, je nach Lexikon unterschiedliche obligatorische biographische Grundinformationen (Geburts-, Sterbedaten usw.). Hinweise auf relevante Informationssegmente, die nach Möglichkeit immer zu nennen sind, sucht man in den meisten Lexika vergebens. Zumeist enthalten die betreffenden Nachschlagewerke mehr oder weniger ausführliche biographische Essays, die sich in Intention und Anlage an die traditionellen biographischen Monographien anlehnen. Der damit einhergehende erzählende Stil mit unpräzisen Formulierungen und zahlreichen historischen Allgemeinplätzen läßt eine systematische Anordnung der Informationssegmente nicht zu; ein rascher, gezielter Zugriff auf Informationen wird dadurch stark beeinträchtigt. Obwohl die Biographien in der Regel alle wichtigen Informationssegmente enthalten, werden nicht selten biographische Angaben infolge persönlicher Deutungen und Wertungen verzerrt wiedergegeben bzw. unzulässig gewichtet. Gelegentlich gewinnt das Bestreben der Autoren nach einer umfassenden Würdigung und Bewertung der biographierten Persönlichkeit derart Überhand, daß sie auf die Wiedergabe selbst wichtiger biographischer Informationssegmente verzichten. Subjektive Werturteile vermindern aber ebenso wie die insbesondere in den älteren Lexika anzutreffenden zweifelhaften oder ungenauen Quellenangaben (z. B. eigene Erlebnisse des Autors, Angaben von Familienangehörigen gegenüber Dritten usw.) den Gebrauchswert der biographischen Artikel.

Von den allgemeinen und regionalen biographischen Lexika sind die Spezialbiographien für bestimmte Teilgruppen, wie Angehörige der gleichen Berufsgruppe (Ärzte, Priester, Beamte), Mitglieder einer Partei, eines Verbands, eines Stands usw., abzuheben. (39) (39) U.a. sind hierunter folgende Werke zu subsumieren: Adolf Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung – dargestellt im Wirken seiner Landesfürsten und obersten Justizbeamtem, 2 Bde., Berlin 1888; Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, Kallmünz 1955; Bernd Walter, Die Beamtenschaft in Münster zwischen ständischer und bürgerlicher Gesellschaft. Eine personengeschichtliche Studie zur staatlichen und kommunalen Beamtenschaft in Westfalen (1800- 1850), Münster 1987; Dietrich Wegmann, Die leitenden staatlichen Verwaltungsbeamten der Provinz Westfalen 1815-1918, Münster 1969; Bruno Schimetschek, Der österreichische Beamte. Geschichte und Tradition, München 1984; Friedrich Wilhelm Bauks, Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945, Bielefeld 1980; Georg Biundo, Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der Reformation (Pfälzisches Pfarrerbuch), Neustadt a. d. Aisch 1968; Die Pastoren der braunschweigischen, evangelisch-lutherischen Landeskirche seit Einführung der Reformation, bearb. von Georg Seebaß u. Friedrich-Wilhelm Freist, hrsg. vom Landeskirchenamt Wolfenbüttel, 2 Bde., Wolfenbüttel 1969-1974; Die Parochien und Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (1539 1939), Teil 2: Sächsisches Pfarrerbuch, bearb. von Reinhold Grünberg, Freiberg i.Sa. 1940; Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, hrsg. von der Historischen Kommission des Provinzialinstituts für westfälische Landes- und Volkskunde, dem Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv und der Volkswirtschaftlichen Vereinigung im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet, 13 Bde., Münster 1931-1986; Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, hrsg. von August Hirsch, 6 Bde., Wien u. Leipzig 1884-1888; Heiner Budde, Die Alternative. Weder Kapitalismus noch Sozialismus. Die Entwicklung christlich-sozialer Politik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. (Mit Lebensbildern ehemaliger christlicher Gewerkschafter und Politiker), Königswinter 1985; Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, hrsg. von Ernst-Heinrich Kneschke, 9 Bde., Leipzig 1859-1870, sowie die verschiedenen Reihen der Gothaischen genealogischen Taschenbücher und Hofkalender. Obwohl auch in diesen Werken nur relativ wenige Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung zu finden sind, waren sie für unsere biographischen Arbeiten sehr nützlich. Die spezielle Zielrichtung dieser Werke hat nämlich zur Folge, daß die dort vorgelegten Biographien Informationen enthalten, die sich aus anderen Quellen nicht oder nur unzureichend erschließen lassen. Hinzu kommt, daß die meist systematisch und nach einheitlichen Standards angelegten Kurzbiographien einen schnelleren Informationszugriff ermöglichen.

In diesem Zusammenhang sei abschließend noch darauf hingewiesen, daß der biographischen Forschung mit dem Deutschen Biographischen Archiv (DBA) und dem kürzlich erschienenen Deutschen Biographischen Index (DBI) zwei äußerst nützliche und umfassende Instrumente für die Erschließung publizierter biographischer Quellen zur Verfügung stehen.(40) (40) Deutsches Biographisches Archiv (Microfiche-Edition), hrsg. von Bernhard Fabian, München 1982; Deutscher Biographischer Index, hrsg. von Willy Gorzny, 4 Bde., München 1986; Deutsches Biographisches Archiv. Neue Folge bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (Microfiche-Edition), hrsg. von Willi Gorzny, München 1989. Das DBA enthält in Microfiche-Form die biographischen Veröffentlichungen zu ca. 280.000 Personen, die in ca. 500 biographischen Sammelveröffentlichungen (biographische Lexika, Handbücher, Kalender und Almanache) bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts erschienen sind. Der DBI ist das Register zum DBA und enthält ein alphabetisches Namensverzeichnis, Lebensdaten und Berufsbezeichnungen aller im DBA aufgeführten Personen mit Angabe der für die einzelnen Personen vorliegenden Quellen und Verweisen auf die entsprechenden Microfiche-Fundstellen. DBA und DBI ermöglichen nicht nur eine erheblich vereinfachte Erschließung allgemeiner biographischer Quellen, sondern erfassen auch zahlreiche weniger bekannte Veröffentlichungen an abgelegenen und nur schwer zugänglichen Fundorten, die üblicherweise von der Fachwissenschaft wegen des hohen Erschließungsaufwands nicht benutzt werden.

7. Autobiographien und biographische Einzelveröffentlichungen

Als Primärquelle ersten Ranges sind zweifellos die von den jeweiligen Persönlichkeiten selbst verfaßten autobiographischen Selbstzeugnisse (Autobiographien, Erinnerungen, Tagebücher, Briefe etc.), die Teilabschnitte oder den gesamten Lebenslauf thematisieren, anzusehen. Auch wenn die hierin enthaltenen Informationen wegen der subjektiv gefärbten Darstellung biographischer Sachverhalte nicht immer unproblematisch sind, sind sie als Quellengruppe für die Rekonstruktion der Abgeordnetenbiographien unverzichtbar. Zahlreiche biographische I nformationselemente, die in der traditionellen Biographik wegen angeblicher Irrelevanz keine Beachtung finden, haben sich bei der Erarbeitung des vorliegenden Handbuchs nur aus diesen Quellen erschließen lassen. Zumeist handelte es sich hierbei um zeitlich und räumlich begrenzte, häufig auch in früheren Lebensabschnitten vollzogene Aktivitäten, die für den gesamten Lebenslauf eine vermeintlich untergeordnete Rolle besaßen, im Sinne der Fragestellungen und theoretischen Konzepte der kollektiven Biographik aber durchaus als relevant angesehen werden müssen. So ließen sich z. B. die vorübergehende Übernahme von lokalen Ehrenämtern oder die Mitgliedschaft in amorphen politischen Vereinigungen, welche für die Analyse sozialer Kontaktfelder und typischer Karrieremuster von Politikern von Interesse sein können, häufig nur diesen Quellen entnehmen. Darüber hinaus erlauben die im allgemeinen ausführlicheren autobiographischen Quellen erfahrungsgemäß eine exaktere Rekonstruktion einzelner Informationssegmente (z. B. von Karrierestationen) sowie eine präzisere zeitliche Verortung von Informationen, als dies auf der Grundlage der Artikel in biographischen Sammelwerken oder Handbüchern möglich ist.(41) (41) U.a Friedrich Carl Biedermann, Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte, 2 Bde., Breslau u. Leipzig 1886-1887; Julius Fröbel, Ein Lebenslauf. Aufzeichnungen, Erinnerungen und Bekenntnisse, 2 Bde., Stuttgart 1890-1891. Fröbels Autobiographie war die einzige, uns vorliegende Quelle, die ausführlich über sein zehnjähriges Exil in Amerika berichtet. Ebenso enthält auch Biedermanns Autobiographie Daten, so z. B. über sein publizistisches Engagement und seine Beteilung an karitativen Organisationen in Leipzig mit genauen Zeitangaben, die sich aus keiner der anderen uns zur Verfügung stehenden Quellen eruieren ließen. Dies trifft in der Regel auch dann noch zu, wenn die Autoren von Autobiographien weniger auf eine chronologische Darstellung als auf eine Würdigung und Rechtfertigung ihres Lebenslaufs abzielten. Dennoch ist bei der Verwendung autobiographischer Quellen Vorsicht am Platze, nicht nur wegen des schon häufiger angesprochenen funktionalen Gebrauchs biographischer Angaben in solchen Werken (ein Problem, das insbesondere bei resümierenden Lebensbetrachtungen mit rechtfertigender Intention allzu oft anzutreffen ist). Auch der lange zeitliche Abstand zwischen den dargestellten Ereignissen und der Niederschrift, die meist in einem Alter erfolgte, in dem eine exakte und vollständige Rekonstruktion aller relevanten Aspekte vergangener Ereignisse durch den Verfasser kaum mehr möglich war, erhöhte die Gefahr von Auslassungen, Verfälschungen und Fehldeutungen wichtiger biographischer Daten, ohne daß damit immer eine bewußte Absicht verbunden wäre. Allerdings lassen sich Beeinträchtigungen in der Zuverlässigkeit autobiographischer Informationen in den meisten Fällen durch eine Überprüfung in zusätzlichen unabhängigen Quellen problemlos ausgleichen. Ein solches Vorgehen war um so eher möglich, als in der Regel zu jedem Abgeordneten, der eine Autobiographie hinterlassen hat, auch noch andere Quellen vorlagen. Dies hängt damit zusammen, daß sich die Erstellung von Autobiographien – soweit sie als Veröffentlichung zugänglich sind – auf bestimmte soziale Gruppen, insbesondere die relativ prominenten und auch anderweitig gut dokumentierten literarisch tätigen Angehörigen der sogenannten kulturellen und geistigen Berufe beschränkt. Damit dürfte auch die quantitativ geringe Bedeutung zusammenhängen, die den Autobiographien als Quellengruppe für das vorliegende Handbuch zukommt. Trotz der im Vergleich zu den späteren Reichstagen relativ großen Zahl von Professoren, Schriftstellern und sonstigen Angehörigen der sogenannten Kulturberufe unter den Nationalversammlungsabgeordneten konnten nur 30 eigenhändig verfaßte Lebensbeschreibungen erschlossen werden.(42) (42) Vgl. hierzu die Auswahlbibliographie; die bibliographischen Angaben der Autobiographien wurden als eigenständiges Informationssegment in die biographischen Artikel des vorliegenden Handbuchs aufgenommen. Wesentlich höher lag die Zahl der zu den Frankfurter Abgeordneten erschlossenen biographischen Einzelveröffentlichungen (Monographien, größere Aufsätze und Essays in Nachschlage- und Sammelwerken, Zeitungen und Zeitschriften). Dennoch läßt sich auch bei dieser Quellengruppe eine Konzentration auf die prominenteren Persönlichkeiten in Politik, Wirtschaft und Kultur feststellen. Zu den tatsächlich oder vermeintlich weniger wichtigen Abgeordneten der Paulskirche finden sich nur in Ausnahmefällen größere Arbeiten. Eine Kompensation für die fehlende Berücksichtigung dieser Personen in den zuvor beschriebenen Quellengruppen läßt sich daher auch nicht durch die Berücksichtigung von Einzelveröffentlichungen erreichen. Der besondere Wert biographischer Artikel und Monographien für das vorliegende Handbuch ist deshalb vor allem darin zu sehen, daß diese auf der Basis umfangreicher Quellenrecherchen für eine Reihe von relativ prominenten P ersönlichkeiten eine wesentlich ausführlichere und detailliertere Lebensbeschreibung präsentieren als die meisten anderen Quellen. Sie bieten somit ähnlich wie die autobiographischen Zeugnisse die Chance zu einer relativ exakten und dichten Rekonstruktion auch der in den sonstigen Quellen üblicherweise weniger gut dokumentierten biographischen Informationssegmente. Bereits bekannte Informationen konnten mit Hilfe dieser Publikationen überprüft sowie ggf. korrigiert, präzisiert oder ergänzt werden. Auch wenn die in biographischen Einzelveröffentlichungen häufig anzutreffenden subjektiven Urteile und kritischen Würdigungen der beschriebenen Persönlichkeit durch den jeweiligen Autor des öfteren die bereits bekannten Probleme der Verzerrung und Fehlinterpretation auch „harter objektivierbarer“ Daten aufwerfen, erwies sich der Rückgriff auf diese Arbeiten bei Erstellung der Biographien als unumgänglich, ließ sich diesen Werken doch zumeist eine so große Fülle von wichtigen und durch zuverlässige Quellen hinreichend belegten Informationen entnehmen, die mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln kaum erschließbar gewesen wären. Entgegen kam unseren Absichten der in jüngster Zeit innerhalb der Geschichtswissenschaft zu beobachtende Trend zur verstärkten Rückbesinnung auf die Methode der traditionalen Einzelbiographik. Im Zuge dieser Entwicklung wurden neben der Neubearbeitung der Biographien von Politikern der „ersten Garnitur“ im Lichte neuerer Forschungsergebnisse auch eine Reihe von Arbeiten zu den in Nachwelt und Geschichtswissenschaft weniger beachteten Persönlichkeiten im „zweiten Glied“, etwa zu den in der Frankfurter Nationalversammlung zahlreich vertretenen Angehörigen der Funktionseliten in Politik, Verwaltung und Justiz, vorgelegt. Auch wenn der Erkenntniswert der einzelbiographischen Methode unter Historikern umstritten und sicherlich für verschiedene Personengruppen unterschiedlich zu beurteilen ist(43)(43) Vgl. Wilhelm Heinz Schröder, Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete, S. 50 f. , haben gerade solche, meist im Rahmen von wissenschaftlichen Qualifikationsleistungen entstandenen Arbeiten zu einer beachtlichen Verdichtung der in den allgemeinen und speziellen Nachschlagewerken häufig dürren und lückenhaften biographischen Angaben beigetragen. Es ist allerdings einschränkend festzuhalten, daß für die Erstellung der Biographien dieses Handbuchs keine vollständige Auswertung aller einzelbiographischen Arbeiten erfolgen konnte. Dies hätte angesichts der großen Zahl entsprechender Publikationen die verfügbaren Kapazitäten bei weitem überfordert. Statt dessen wurde auf diese Quellengattung nur dann zurückgegriffen, wenn die vorhandene Informationsbasis zu einem Abgeordneten weitere biographische Recherchen erforderlieh machte und gezielte Hinweise auf eine entsprechende Publikation vorlagen. Bei mehreren biographischen Veröffentlichungen zu einem einzelnen Abgeordneten wurden in der Regel nur die neuesten Arbeiten berücksichtigt. Eine sorgfältig kalkulierte Effizienzbeurteilung war hier auch deshalb besonders geboten, da sich die Auswertung umfassender biographischer Veröffentlichungen ebenso wie die Auswertung von Autobiographien als außerordentlich zeitraubende Arbeit erwies. Ein gezielter und rascher Zugriff auf die gewünschten, im Fließtext verfaßten Informationen war zumeist nicht möglich. Nur wenige Publikationen dieser Art bieten etwa in Form tabellarischer Lebensläufe oder präziser und ausführlicher Register Hilfsmittel für eine beschleunigte bzw. vereinfachte Auswertung.

Eine systematische oder punktuelle Auswertung von Nachlässen der Nationalversammlungsabgeordneten erfolgte im Rahmen der Arbeiten zum vorliegenden Handbuch nicht. Dies hätte nicht nur die begrenzten Möglichkeiten überfordert, sondern auch den ohnehin nur unvollkommen zu erfüllenden kollektiv-biographischen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kollektivmitglieder extrem verletzt. Die aufwendige Auswertung dieser Quellengruppe kann daher nicht Aufgabe eines kollektiv-biographischen Handbuch-Projekts sein und muß biographischen Spezialstudien überlassen bleiben.(44) (44) Ein ausführliches Verzeichnis von Nachlässen in deutschsprachigen Archiven mit Angabe des Fundortes bietet Wolfgang A. Mommsen, Die Nachlässe in den deutschen Archiven, 2 Teile, Boppard 1971-1983. Im übrigen sind die Ergebnisse von Nachlaß-Recherchen in den hier benutzten Quellen (Biographische Ausarbeitungen, Artikel in biographischen Sammelwerken, Monographien usw.) häufig bereits eingearbeitet.

8. Erschließung sonstiger publizierter und archivalischer Quellen

Obwohl mit den Biographischen Ausarbeitungen des Bundesarchivs Frankfurt eine zentrale Quellensammlung zu den Lebensläufen der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung vorliegt, konnte angesichts der offenkundigen Mängel und Defizite dieses Quellenbestands nicht auf weitergehende Recherchen nach biographischen Informationen verzichtet werden. Außer den wenigen, oben bereits beschriebenen Quellengruppen mit relativ hohem biographischen Informationsgehalt war hierbei notwendigerweise auch auf umfangreiche, aber weniger informative biographische Quellenbestände zurückzugreifen. Die große Zahl von Personen und die Mas-senhaftigkeit potentiell verfügbarer biographischer Quellen machten die Konzipierung und forschungspraktische Umsetzung einer systematischen Recherchestrategie zur Gewinnung neuer biographischer Informationen zwingend erforderlich. Nur durch die Befolgung strenger Relevanz- und Effizienzkriterien bei der biographischen Recherche konnte der Gefahr einer wenig ergiebigen, aber extrem zeitaufwendigen Bearbeitung abseitiger und unbedeutender Quellen begegnet und die Realisierung des biographischen Handbuchs in einem überschaubaren Zeit-/Mittelrahmen ermöglicht werden.

Im Rahmen dieses Konzepts waren zunächst die publizierten und archivalischen Quellengruppen mit relativ hohem Informationsgehalt – hierbei handelte es sich im wesentlichen um die oben näher beschriebenen Quellengruppen – systematisch zu erschließen, dokumentarisch zu erfassen und für die Personendossiers auszuwerten. Auf der Grundlage dieser Informationsbasis galt es, gezielt weitere geeignete Quellenbestände systematisch oder punktuell zum Ausgleich von allgemeinen und speziellen Informationsdefiziten und Ungleichgewichten sowie zur Präzisierung bzw. Korrektur ungenauer oder fehlerhafter biographischer Daten zu erschließen und auszuwerten. Da bei den gegebenen Möglichkeiten an eine vollständige Auswertung aller relevanten biographischen Veröffentlichungen auch nicht im entferntesten zu denken war, richteten sich die Recherchebemühungen vor allem auf solche Publikationen, die aufgrund ihrer thematischen Ausrichtung eine möglichst große Ausbeute an neuen, durch das bereits ausgewertete Quellenmaterial nicht oder nur unzureichend dokumentierten biographischen Informationen erwarten ließen und zudem durch ausführliche Personen- und Sachregister einen schnellen und gezielten Zugriff auf gewünschte Informationen erlaubten. Dieser Gruppe biographisch gehaltvoller Publikationen wären u. a. Monographien zu herausragenden historischen Ereignissen (z. B. Hambacher Fest(45) (45) Exemplarisch seien hier genannt: Cornelia Foerster, Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/33. Sozialstruktur und Organisationsformen der bürgerlichen Bewegung in der Zeit des Hambacher Festes, Trier 1982 (mit zahlreichen Verzeichnissen von Aktivisten und Teilnehmern); Norbert August Deuchert, Vom Hambacher Fest zur Badischen Revolution. Politische Presse und Anfänge deutscher Demokratie 1832-1848/49, (Diss.) Stuttgart 1983 (mit verstreuten biographischen Informationen zu führenden süddeutschen Persönlichkeiten des Vormärz und der Revolution von 1848/49). ), Studien zu verschiedenen thematischen Schwerpunkten (z. B. Längs- und Querschnittsanalysen historischer Institutionen, Organisationen oder Personengruppen; verfassungsgeschichtliche Studien), Lokal-und Regionalstudien, aber auch zeitgenössische Publikationen zu politischen und gesellschaftlichen Problemen (häufig mit offiziösem Charakter) sowie Fachlexika und Handbücher zuzurechnen.

Auch wenn die Publikationen der genannten Art nur in Ausnahmefällen ausführliche Lebensläufe zu den Frankfurter Abgeordneten enthalten, lohnte sich der für ihre Auswertung benötigte zusätzliche Arbeitsaufwand nicht allein wegen der speziell nur dort erwähnten biographischen Informationen. Auch für die Bewertung und Einordnung verschiedener biographischer Sachverhalte erwies sich die Auswertung dieser Quellengruppen von großem Wert. So lassen sich etwa Entscheidungen hinsichtlich der Relevanz von beruflichen oder politischen Aktivitäten nur bei genauer Kenntnis des Umfeldes, in dem solche Aktivitäten stattfanden, angemessen beurteilen und einordnen. Angesichts der Vielfalt politischer und sozialer Verhältnisse in den vielfach zersplitterten Regionen des Deutschen Bundes war der Rückgriff auf spezielle Literatur daher unumgänglich. Ein Publikation, die in hervorragender Weise diese doppelte Nutzungsmöglichkeit bei der Erstellung der Handbuch-Biographien erlaubte, ist das von Dieter Fricke herausgegebene „Lexikon zur Parteiengeschichte 1789-1945“.(46) (46) Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945), hrsg. von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Dieter Fricke, 4 Bde., Köln u. Leipzig 1983-1986. Dieses Handbuch ist das Ergebnis jahrelanger Arbeiten eines größeren Forscherteams aus der ehemaligen DDR und bietet in 670 Einzelbeiträgen einen detaillierten Überblick über eine Vielzahl „bürgerlicher“ und „kleinbürgerlicher“ Parteien und Verbände in Deutschland. Gerade für die Zeit vor 1848, die im Zeichen der politischen Emanzipation des Bürgertums durch eine unermessliche Flut von Vereins- und Organisationsgründungen mit meist diffuser Struktur und kurzer Lebensdauer gekennzeichnet ist, erwies sich das Parteienlexikon als nützliches Auskunftsmittel, das für nicht wenige Abgeordnete neue Aspekte ihrer Biographie offenlegen konnte. In ähnlicher Weise trug auch die systematische oder punktuelle Auswertung einer Reihe weiterer Monographien bzw. Handbücher zu speziellen Themengebieten, z. B. zu Rechts-, Verfassungs- und Verwaltungsfragen, zur Parlamentsgeschichte oder zum Problem politischer Delinquenz sowohl zur Erweiterung des biographischen Informationsstands zu einzelnen Abgeordneten als auch zur Klärung verschiedener biographischer Sachverhalte bei, wobei je nach Thematik und Anlage dieser Werke eine der beiden Nutzungsmöglichkeiten überwog.(47) (47) U.a. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1: Reform und Restauration 1789-1830, Bd. 2: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830-1850, Bd. 3: Bismarck und das Reich, Stuttgart u. a. 1957-1963; Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte. Einführung in Entwicklung und Strukturen, Wien 1976; Bruno Schimetschek, Der österreichische Beamte. Geschichte und Tradition, München 1984; Werner Boldt, Die Anfänge des deutschen Parteienwesens. Fraktionen, politische Vereine und Parteien in der Revolution 1848, Paderborn 1971; Hans Schneider, Preußischer Staatsrat 1817 1918. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte Preußens, München u. Berlin 1952; R. Hinton Thomas, Liberalism, nationalism and the german intellectuals (1822-1847). Analysis of the academic and scientific conferences of the period, Cambridge 1951; Heinrich Best, Interessenpolitik und nationale Integration 1848/49, Göttingen 1980; Adolf Eduard Zucker, The Forty-Eighters. Political refuges of the German Revolution of 1848, New York 1950. Hierbei kam es den Erschließungsarbeiten sehr zustatten, daß diese Publikationen in der Regel über umfangreiche und differenzierte Sach- und Personenregister sowie ggf. über listenartige Zusammenstellungen von Mitgliedern bestimmter Organisationen bzw. Teilnehmern an diversen Aktivitäten verfügen, was den Aufwand für die Bearbeitung und Auswertung erheblich reduzierte. Besonders lohnend erwies sich ebenfalls die systematische Auswertung einer Reihe offizieller bzw. halboffizieller zeitgenössischer Veröffentlichungen, die sich mit diversen Aspekten politisch abweichenden Verhaltens (z. B. politische Straftäter, Emigranten etc.) auseinandersetzen.(48) (48) U.a. Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands auf die Zeit vom 1. Januar 1848 bis zur Gegenwart, Dresden 1854; Literarische Geheimberichte aus dem Vormärz, hrsg. von Karl Glossy, Wien 1912. Häufig als Instrumente der Gegenpropaganda ständischer Regierungen gegen oppositionelle Aktivitäten konzipiert, führen sie gebündelt und daher relativ leicht erschließbar eine Fülle von biographisch aufschlußreichen Details zu verschiedenen aktiven Vertretern der oppositionellen Strömungen des frühen 19. Jahrhunderts an, die ohne diese Werke nur durch mühsame und zeitraubende Recherchen in Polizei- und Gerichtsakten zu eruieren gewesen wären.

Bei den gegebenen Möglichkeiten dürfte es einleuchtend sein, daß sich die systematische und vollständige Auswertung publizierter Quellen nur auf eine begrenzte Zahl von Veröffentlichungen, vornehmlich auf Werke mit einem hohen zu erwartenden biographischen Informationswert, erstrecken konnte. Für die Mehrzahl der biographisch ergiebigen Publikationen konnte dagegen der Aufwand für eine systematische Bearbeitung nicht geleistet werden. Um die Aufwendungen für diese Recherchen nach verstreuten und schwer zugänglichen Informationen nicht über Gebühr zu erhöhen, wurden daher die meisten publizierten Quellen punktuell, d. h. nur ausschnittsweise und gezielt auf der Basis von Vorinformationen und Querverweisen (meist in bereits ausgewerteten Quellen), nach biographischen Informationen durchgesehen. Dies betraf insbesondere alle Publikationen mit geringem biographischen Gehalt wie historische Uberblicksdarstellungen oder Quellengruppen, die zwar für biographische Fragestellungen durchaus interessant sind, aber einer systematischen Erschließung aus verschiedensten Gründen nicht zugänglich waren. Hierunter wäre insbesondere die große Zahl lokal- und regionalhistorischer Arbeiten anzuführen. Obwohl die lokale und regionale Geschichtsforschung gerade der jüngsten Zeit eine Fülle neuerer, auch biographisch ergiebiger Erkenntnisse zu der Zeit vor und nach 1848/49 offenlegte, war es unmöglich, diese Literatur für das vorliegende Handbuch auch nur annähernd vollständig zu erschließen und auszuwerten. Statt dessen wurde nur dann auf derartige Werke zurückgegriffen, wenn der aktuelle Informationsstand zu einzelnen Abgeordneten wegen größerer Defizite in zentralen Informationssegmenten weitere Recherchen erforderte und konkrete Hinweise auf geeignete lokal- oder regionalgeschichtliche Studien vorlagen.(49) (49) U.a. Wilfried Ehbrecht, Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Teil II, Lippstadt 1986; P. Geist, Die Geschichte Vorarlbergs im Jahre 1848/49. Ein Beitrag zur politischen Entwicklung des Landes im 19.Jahrhundert, Bern u.a. 1922; Emanuel Bernhardt, Zur Geschichte des Gymnasiums zu Weilburg in den letzten 50 Jahren. (Festschrift zur Feier des 350 jährigen Bestehens der Anstalt), Wiesbaden 1890; Peter Fischer, Das politische Leben im Kreise Jülich 1848-1918. 1. Teil: Von der Revolution 1848 bis zur Reichsgründung 1871, Jülich ca. 1920; Otto Kuhnert, Anton Schmidt aus Schildberg, unser Abgeordneter im Frankfurter Parlament, in: Nordmährischer Grenzbote (29.10.1940), S. 5 f.; Sepp Seifert, Komotauer im Strom der Zeit. Lebensbilder durch sechs Jahrhunderte, Ingolstadt 1977; Hugo Schneider, Josef Ignaz Peter, ein Achtundvierziger aus Achern, in: Die Ortenau 66 (1986), S. 427-453; Georg Deecke, Dr. Ernst Deecke. Professor am Katharineum und Stadtbibliothekar in Lübeck, Lübeck 1912. Ein ähnliches Vorgehen wurde auch gegenüber regionalen und lokalen Zeitungen und Zeitschriften gewählt, die angesichts ihrer Massenhaftigkeit ebenfalls nicht systematisch erschlossen und ausgewertet werden konnten. Der Ertrag derartiger punktueller und gezielter Zugriffe auf Quellenmaterialien war außerordentlich hoch, insbesondere dann, wenn vergleichsweise wenig Informationen zu einem Abgeordneten vorlagen; fast immer ließen sich bei gezielten Hinweisen über die Recherche in lokalen bzw. regionalen Quellen substantiell neue Daten vor allem zu den Informationssegmenten „Berufstätigkeit“ und „öffentliche Aktivitäten“ zu Tage forden. In gleicher Weise lohnte sich eine Recherche in einer der zahlreichen historischen Veröffentlichungen ohne speziellen biographischen Schwerpunkt nur dann, wenn im konkreten Fall ein Bedarf an zusätzlichen Lebensdaten gegeben war und konkrete Hinweise auf entsprechende Informationen in diesen Werken vorlagen.

Bis auf die Biographischen Ausarbeitungen des Bundesarchivs, Außenstelle Frankfurt am Main, wurden ebenfalls sämtliche für das vorliegende Handbuch verwendeten archivalischen Quellen nur punktuell erschlossen. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß archivalische Quellen aufgrund ihrer Massenhaftigkeit, ihrer Struktur, ihrer Zugänglichkeit und/oder ihres geringen biographischen Gehalts (z. B. personenbezogene Quellen von Standes-, Melde- und Pfarrämtern; Justiz-und Verwaltungsakten) für eine systematische Recherche in der Regel nicht zugänglich waren. Statt dessen wurde bei entsprechenden Hinweisen eine gezielte postalische Anfrage bei Archiven, Stadtverwaltungen, Pfarrämtern, Verbänden usw. nach den gesuchten Informationen in archivalischen bzw. nicht publizierten Quellenbeständen durchgeführt. Da es sich hierbei um ein sehr zeit- und kostenintensives Vorgehen handelt(50) (50) Neben dem zeitlichen Aufwand für die Suche nach geeigneten Auskunftsstellen, die Abwicklung des Versands und die ordnungsgemäße Registratur der Antworten haben die ca.1444 Einzelanfragen nicht unerhebliche Porto-, Kopier- und Materialkosten (u. a. für ein umfangreiches Registratursystem mit vier Einzelregistraturen) verursacht. , wurde dieses Verfahren nur auf solche Fälle angewandt, bei denen die systematische Auswertung der oben beschriebenen Standardquellen und ggf. die punktuelle Recherche nach publizierten Quellen keine hinreichende Informationsgrundlage für die Rekonstruktion des Lebenslaufs nach Maßgabe der kollektiven Biographik ergab. Inbesondere dann, wenn grundlegende Daten (etwa Geburts-/Sterbedaten; ausgeübter Beruf bei Mandatsantritt etc.) fehlten oder die Zuverlässigkeit bzw. die Qualität der eruierten Angaben nicht ausreichten, wurde eine schriftliche Anfrage in die Wege geleitet. Hinweise auf die im gegebenen Fall anzufragenden Institutionen ergaben sich aus den bereits vorliegenden Informationen; zumeist bildeten die lokalen Bezüge des Lebenslaufs (Geburts-, Sterbe-, Wahl- und Haupttätigkeitsorte) Anknüpfungspunkte für die schriftliche Anfrage. Aber auch öffentliche Aktivitäten wie die Mitgliedschaft in Vereinen oder die Ausübung von lokalen Ehrenämtern konnten Anhaltspunkte für eine ergänzende biographische Anfrage liefern. Mit Hilfe von geeigneten Archivführern, Findbüchern und Spezialinventaren wurden sodann die für eine schriftliche Anfrage letztlich in Frage kommenden Institutionen ausgewählt.(51) (51) Vor allem wären hier zu nennen: Archive im deutschsprachigen Raum, Minerva-Handbücher, Berlin u. New York 1974 (2. Aufl.); Archive und Archivare in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich und in der Schweiz, hrsg. vom Verein deutscher Archivare, Darmstadt u. München 1985 1986 (14. Ausgabe). Gelegentlieh fanden sich auch in dem bereits erschlossenen Material konkrete Angaben über Standorte weiterer biographischer Quellen.

Insgesamt wurden ca. 1400 Einzelanfragen versandt. Die Auskunftsbereitschaft der angeschriebenen Stellen war erstaunlich hoch; nur auf etwa 100 Anfragen erfolgte keine Rückantwort. In ca. 550 Fällen konnten die angefragten Institutionen keine Auskunft geben, da keine entsprechenden Quellen (z. B. infolge von Kriegsverlusten oder Auslagerungen) vorlagen. Rund 200 Rückantworten bestätigten die bereits vorliegenden Informationen, auf ca. 550 Anfragen sind Antwortschreiben mit mindestens einer substantiell neuen biographischen Information eingegangen.

Mehr noch als die rein quantitativen Angaben rechtfertigen die inhaltlichen Resultate den hohen Aufwand für die schriftliche Anfrage. Vor allem gilt dies für die Abgeordneten, zu denen auch nach weiterführenden Recherchen in den zuvor genannten Quellenbeständen wenig mehr als der (Familien-)Name und der Wahlkreis bekannt waren. Bis auf wenige Ausnahmen konnten mit Hilfe der schriftlichen Anfrage auch in diesen scheinbar aussichtslosen Fällen weitere Informationen gewonnen werden, so daß zumindest die Identität des jeweiligen Abgeordneten eindeutig zu klären war. In nicht wenigen Fällen war es aufgrund der eingegangenen Informationen möglich, bislang nur lückenhaft vorliegende und/oder ungenaue Lebensabrisse zu ausführlichen Biographien mit präzisen Zeitangaben und detaillierten Auskünften über politische und sonstige öffentliche Aktivitäten des jeweiligen Abgeordneten zu erweitern. Des öfteren mußten Modifizierungen und Präzisierungen der schon vorliegenden Daten vorgenommen werden. Von besonderem Wert war zweifellos die nur auf diesem Wege mögliche Erschließung einer Vielzahl von sehr verschiedenartigen zeitgenössischen Primärquellen. Recherchen in lokalen Quellenmaterialien wie Kirchenbüchern und Tageszeitungen oder in amtlichen Quellen wie Polizei- und Gerichtsakten, die von den Bearbeitern des vorliegenden Handbuchs unmöglich selber hätten durchgeführt werden können, trugen nicht nur zur Bestätigung oder Präzisierung bereits vorhandener Daten bei, sondern erbrachten in zahlreichen Fällen sogar neue Erkenntnisse für grundlegende Informationselemente (z. B. Geburts-/Sterbedaten). Gerade die Auswertung der schriftlichen Anfragen zeigte mehr als einmal, daß der Rückgriff auf bislang nicht erschlossene Originalquellen zu nicht unerheblichen Modifizierungen und Korrekturen der Lebensbeschreibungen selbst prominenter Abgeordneter führen kann.

Neben der Erhebung substantieller Informationen zu bestimmten Abgeordneten bestand ein weiterer wichtiger Ertrag der schriftlichen Anfrage in einer Fülle von Verweisen auf ergänzende Recherchemöglichkeiten. In vielen Fällen gaben derartige Auskünfte Anlaß zur zielgerichteten Erschließung zusätzlicher publizierter oder archi-valischer Materialien. So wurden die schon des öfteren angesprochenen lokal- und regionalgeschichtlichen Veröffentlichungen, welche in den gängigen Bibliographien kaum erfaßt sind, fast ausnahmslos auf diesem Wege erschlossen. Quantitativ weniger bedeutend, dafür aber sehr hilfreich für die Erweiterung unserer Informationsbasis zu einzelnen Abgeordneten waren die Verweise auf Nachkommen ehemaliger Nationalversammlungsabgeordneter und auf Privatforscher.(52) (52) Durch die Anfragen bei Privatpersonen oder Familienarchiven konnten zahlreiche bislang noch nicht publizierte bzw. unbekannte biographische Materialien zu Tage gefördert werden, die den Informationsstand zu den jeweiligen Abgeordneten teilweise beträchtlich erweiterten. Allerdings ist der Erfolg der Anfragen grundsätzlich von der Auskunftsbereitschaft/-fähigkeit der angeschriebenen Stellen abhängig. Auf Formen und Ursachen unterschiedlicher Kooperationsbereitschaft kann an dieser Stelle nicht im einzelnen eingegangen werden. Für die Beurteilung der hier zugrundeliegenden Quellenbasis ist vor allem die Tatsache bedeutsam, daß der Gesamtertrag der punktuellen Anfrage durch ein auffälliges West-Ost-Gefälle gekennzeichnet ist, das auf die tendenziell geringere Ergiebigkeit der Archivanfragen in den mitteldeutschen, östlichen und südöstlichen Gebieten des einstigen Deutschen Bundes (ehemalige DDR, Polen, UdSSR, CSFR) zurückzuführen ist. Es wäre allerdings falsch, dies ausschließlich den politisch vorgegebenen Restriktionen im Auskunftsverhalten zuzuschreiben. Ebenso häufig dürften Vernichtung (z. B. durch Kriegseinwirkungen) oder Unzugänglichkeit von Quellenmaterialien die Ergiebigkeit punktueller Anfragen in diesen Gebieten beeinträchtigt haben. Die im Rahmen einer umfassenden Recherche nach biographischem Material zu den anfangs besonders schlecht dokumentierten 59 sudetendeutschen Abgeordneten angeschriebenen tschechischen Archive etwa konnten trotz hoher Auskunftsfreudigkeit und intensiver Nachforschungen häufig keine oder nur wenige weiterführende Informationen mitteilen, da geeignete Quellen nicht vorhanden waren. Aus polnischen und russischen Archiven wurden so gut wie keine biographischen Informationen übermittelt, ohne daß eine eindeutig politisch verordnete Auskunftsverweigerung erkennbar gewesen wäre. Da die punktuelle Recherche vor den politischen Umwälzungen in diesen Gebieten weitgehend abgeschlossen war, sind von hier aus auch keine eindeutigen Aussagen über die Hintergründe der geringeren Ergiebigkeit dieser Anfragen möglich. Erste Erfahrungen lassen zwar auf ein geändertes Informationsverhalten schließen, waren aber vom Umfang her zu gering, als daß sie eine generelle Aussage erlauben. In diesem Zusammenhang wäre schließlich noch darauf hinzuweisen, daß die Chancen, biographische Informationen aus archivalischen Quellen zu gewinnen, keineswegs für alle Abgeordneten gleich verteilt sind. Tatsächlich überwiegen in diesen Quellen Informationen zu Angehörigen bestimmter Berufsgruppen. Biographische Zeugnisse aus dem Leben von Staatsbeamten oder Kirchenbediensteten etwa wurden in Form von Personalakten (Personalbögen, Urkunden, Zeugnissen etc.) in großem Umfang festgehalten und archiviert, hingegen wird man personenbezogene Unterlagen zu kleineren Selbständigen und freiberuflich tätigen Personen nur in Ausnahmefällen in staatlichen Archiven finden. Ein Ausgleich derartiger Ungleichgewichte ist in der Regel nicht möglich. Solche auf strukturellen Faktoren beruhenden Uberlieferungsverzerrungen verweisen ebenso wie die regional unterschiedlichen Erschließungsmöglichkeiten von Quellenmaterialien auf grundlegende Grenzen kollektiv-biographischer Forschungen. Diese lassen sich auch bei einer noch so intensiven Ausweitung der Quellenrecherche letztendlich nicht überwinden.

Es versteht sich von selbst und entspricht dem Wesen kollektiv-biographischen Arbeitens, daß bei aller Systematik, die der Erschließung neuer biographischer Quellen zugrunde gelegt wurde, auch Zufallsfunde unsere Material- und Quellenbasis ergänzt haben. Andererseits garantiert auch ein noch so systematisch angelegtes Vorgehen nicht die Erschließung aller für ein bestimmtes Personenkollektiv relevanten biographischen Materialien. Letzteres muß im Interesse eines möglichst effizienten Erschließungsverfahrens, welches bei gegebenen Zeit-/Mittelkapazitäten auf einen größtmöglichen Ertrag an biographischen Informationen zielt, in Kauf genommen werden. Auch wenn für unser Vorhaben auf ausgedehntere Recherchen in verschiedenen Quellenbeständen wegen der geschilderten Uberlieferungsdefizite nicht verzichtet werden konnte, waren der Informationserschließung durch die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten grundsätzlich Grenzen gesetzt.

Im übrigen bestätigte sich bei der Erschließung biographischer Quellen zu den Frankfurter Abgeordneten die immer wieder bei massenbiographischen Recherchen gemachte Erfahrung, daß auch mit einem noch so umfangreichen Erhebungsaufwand eine Annäherung an die Postulate der Gleichgewichtigkeit und Vollständigkeit nicht zu erreichen ist.(53) (53) Vgl. Wilhelm Heinz Schröder, Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete, S. 61 u. 66. Auch wenn massenbiographische Handbücher prinzipiell „unabschließbar“ sind und sich immer noch neue biographische Informationen bzw. Quellen eruieren lassen, wird irgendwann ein Informationsstand erreicht sein, bei dem die Ergebnisse weiterer Datenerhebungen den dafür zu erbringenden Aufwand nicht mehr rechtfertigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die neu gewonnenen Daten nur noch selten zur Behebung gravierender Informationsdefizite beitragen, sondern lediglich kleinere Ergänzungen und Modifikationen der ohnehin schon gut dokumentierten Abgeordnetenbiographien zur Folge haben. Ein solcher Recherche- und Informationsstand ist im Falle des vorliegenden Handbuchs zweifellos erreicht worden.

Insgesamt stand somit nach Abschluß der biographischen Recherchen eine hinreichend vollständige und zuverlässige Datenbasis zu Verfügung, um die Lebensläufe der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung nach den Standards der kollektivbiographischen Methode angemessen zu rekonstruieren. Dies gilt insbesondere für die biographischen Kerndaten. So konnten für fast alle Abgeordneten Geburtsjahr (98,5%) und Sterbejahr (97,4%) eruiert werden. Das vollständige Geburtsdatum ließ sich für 97,8%, das vollständige Sterbedatum für 96,5% der Abgeordneten ermitteln. Desweiteren sind 97,5% der Geburtsorte und 97,2% der Sterbeorte bekannt. Neben diesen, für die eindeutige Bestimmung der Identität von Abgeordneten unerläßlichen Informationen besitzen wir auch für fast alle Abgeordnete (99,6%) zumindest einen Hinweis auf ihre berufliche Tätigkeit bei Antritt des Mandats in der Frankfurter Nationalversammlung; für die meisten Abgeordneten konnten darüber hinaus auch die wichtigsten Karrierestationen rekonstruiert werden. Die für ein Handbuch der vorliegenden Art obligatorischen Mindestinformationen – vollständige Erfassung aller Abgeordneten (entsprechend dem gewählten Auswahlkriterium), vollständigeNennung von Wahlkreisen und Mandatszeiten (entsprechend dem überlieferten Dokumentationsstand) sowie ausführliche Dokumentation der parlamentarischen Aktivitäten (Fraktionszugehörigkeit, Ausschüsse, parlamentarische Ämter usw.) – konnten aus dem verfügbaren Material ebenfalls vollständig erhoben werden. Desweiteren dürfte die systematische Auswertung der Parlamentshandbücher der deutschen Reichs- und Landtage auch weitgehende Vollständigkeit für die Informationssegmente Mitgliedschaften in deutschen Reichs- und Landtagen (Mandatsdauer, Fraktionszugehörigkeit, parlamentarische Ämter usw.) garantieren. Demgegenüber ließen sich die Informationssegmente soziale Herkunft und Sozialisation, berufliche Karriere und Migration, Aktivitäten im politischen und sonstigen öffentlichen Leben sowie politische Verfolgung und Sanktionen aufgrund der Qualität der überlieferten Quellen nur unvollständig rekonstruieren. Da es sich bei diesen Informationen mehrheitlich um erworbene Merkmale handelt, bleibt häufig unklar, ob das Fehlen entsprechender Informationen in den Quellen auf das Fehlen eines entsprechenden Tatbestands im Lebenslauf oder auf Überlieferungsdefizite zurückzuführen ist. Nicht selten lassen die Lebensumstände das Vorliegen bestimmter biographischer Daten vermuten, ohne daß in den Quellen auch nur der geringste Hinweis auf eine konkrete Bestimmung des entsprechenden Faktums zu finden wäre. Auch hinsichtlich Präzision und exakter zeitlicher Verortung von Daten mußten bei den genannten biographischen Merkmalsgruppen häufiger als bei den Kerndaten Abstriche hingenommen werden. Gelegentlich war es jedoch möglich, mittels interner Konsistenzprüfungen ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen: so lassen sich etwa einzelne Berufspositionen institutionell vorgegebener Karriereverläufe auch dann vollständig rekonstruieren, wenn die vorhandenen Quellen hierüber nur selektiv berichten; in ähnlicher Weise erlauben die im Vormärz bereits weitgehend ausdifferenzierten und formalisierten Bildungs- und Ausbildungswege auch ohne entsprechende Quellenangaben Rückschlüsse auf den Bildungshintergrund einer Person, wenn lediglich Informationen zur beruflichen Laufbahn vorliegen; zumindest lieferte die Kenntnis dieser Zusammenhänge Anhaltspunkte für gezielte Recherchen. Manchmal gelang es auch, mit Hilfe interner Konsistenzprüfungen fehlende bzw. fehlerhafte zeitliche Bestimmung, z. B. durch Extra- oder Intrapolationen, zu ergänzen bzw. zu modifizieren. Zur Behebung von Defiziten in der Überlieferung von politischen und sonstigen öffentlichen Aktivitäten der Abgeordneten konnten derartige Strategien leider nur in Ausnahmefällen beitragen. Trotz einer Vielzahl entsprechender Daten sind daher für diese Informationssegmente auch die stärksten Beeinträchtigungen hinsichtlich Vollständigkeit und Zuverlässigkeit zu konstatieren. Man muß sich allerdings im klaren darüber sein, daß der Historiker angesichts der Qualität des überlieferten Quellenmaterials hier an prinzipielle Grenzen seiner Erkenntnismöglichkeiten stößt.

Sämtliche Materialien zu einem Abgeordneten wurden nach dem Prinzip der Autopsie im Original oder als Fotokopie zu einem Personendossier zusammengestellt. Die Personaldossiers bildeten die Grundlage für den biographischen Rekonstruktionsprozeß und mögliche weitere Recherchen. Alle biographischen Daten der Abgeordneten sind zusätzlich maschinenlesbar aufbereitet und in eine Datenbank übertragen worden, die laufend ergänzt und überarbeitet wird. Neue biographische Daten werden auch nach Erscheinen dieses Handbuchs in den Personaldossiers vermerkt und in die Datenbank eingearbeitet, so daß beide Archivierungsmedien stets den aktuellen Informationstand widerspiegeln. Zur Überprüfung der Rekonstruktion der Handbuchbiographien und als Hilfsmittel für weitere Forschungen sind die Personaldossiers und die Datenbank interessierten Wissenschaftlern grundsätzlich zugänglich.